Fokus auf nebenwirkungsarme Behandlung legen
Auch in Zukunft wird der PSA-Test zur Früherkennung, Prognose und Beurteilung des Therapieverlaufs unverzichtbar sein. Darin sind sich die Experten und die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU) einig. „Vielmehr sollte das Augenmerk künftig verstärkt auf eine effektive und trotzdem schonende Behandlung gelegt werden, um schwerwiegende Nebenwirkungen wie Inkontinenz und Impotenz möglichst zu vermeiden“, sagt Dr. Pedram Derakhshani, Urologe im Westdeutschen Prostatazentrum.
Prostatakrebs ist der häufigste bösartige Tumor bei Männern: Jedes Jahr erkran-ken in Deutschland über 58.000 Männer, 11.000 sterben an den Folgen der Erkrankung. „Dank verbesserter Früherkennungsmethoden sind wir heute in der Lage, Tumore in der Prostata zu einem immer früheren Zeitpunkt zu erkennen“, sagt Dr. Derakhshani. Neben der gesetzlichen Früherkennung mittels Tastuntersuchung, steht seit mittlerweile über 20 Jahren ein einfacher Bluttest zur Ermittlung des prostataspezifischen Antigens (PSA-Test) zur Verfügung. „Bei Tumoren der Vorsteherdrüse ist das PSA häufig erhöht und gibt neben dem Abtasten der Prostata und einer Ultraschalluntersuchung, die größtmögliche Sicherheit, einen Prostatakrebs in einem noch heilbaren Stadium aufzuspüren “, so der Kölner Urologe.
Trotz seiner Erfolgsgeschichte wird der PSA-Test derzeit kritisch diskutiert. Den Anlass dazu geben zwei Studien, die jüngst in der Zeitschrift „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht wurden. Die europäische Studie1 mit 182 000 Teilnehmern zeigte, dass durch den flächendeckenden Einsatz des PSA-Tests bei gesun-den Männern im Alter von 65 bis 69 Jahren, die Wahrscheinlichkeit an einem Prostatakarzinom zu sterben um 20 Prozent gesenkt werden konnte. In der wesentlich kleineren amerikanischen Untersuchung2 wurde dagegen kein greifbarer Unterschied in der Sterblichkeitsrate festgestellt. Die unterschiedlichen Studienergebnisse lassen sich, so die Experten, möglicherweise darauf zurückführen, dass in der amerikanischen Studie fast die Hälfte der Patienten in der Kontrollgruppe entgegen des Studienprotokolls ebenfalls einen PSA-Test durchführen ließen. „Die amerikanische Untersuchung hat daher nur eine bedingte Aussagekraft“, erläutert Derakhshani.
Mehr Schaden als Nutzen?
Statistisch gesehen müssen nach den europäischen Daten insgesamt 48 Männer behandelt werden, um einen Prostatakrebstoten zu verhindern. Diese Zahlen sind durchaus vergleichbar mit den anerkannten Verfahren bei Brust- oder Darmkrebs. Da Prostatakrebs häufig im höheren Lebensalter auftritt, generell langsam wächst und daher möglicherweise nie Beschwerden verursachen würde, besteht mitunter die Gefahr einer „Übertherapie“. „Dies sollte in die Überlegungen einbezogen werden, zumal Prostatakrebspatienten je nach Art der Behandlung zum Teil gravierende Nebenwirkungen in Kauf nehmen müssen“, sagt Dr. Stephan Neubauer, ebenfalls Urologe im Westdeutschen Prostatazentrum. Gerade die radikale Prosta-taoperation, die in Deutschland noch immer die häufigste Behandlung ist, geht zum Teil mit einer hohen Inkontinenz- und Impotenzrate einher. So kann jeder 10. Patient nach der Operation den Urin nicht mehr halten, fast zwei Drittel leiden an Impotenz.
„Es ist allerdings keine Lösung, den PSA-Test aus dem Früherkennungsinventar zu streichen“, betont Neubauer. Vielmehr sollten wir künftig Methoden an der Hand haben, gefährliche Tumore besser identifizieren zu können, um so unnötige Biopsien zu vermeiden. Darüber hinaus müsse der Fokus bei der Behandlung von Prostatakrebspatienten verstärkt dahin gehen, optimale Heilungsraten bei minimalen Nebenwirkungen zu erzielen. Hierfür eignen sich vor allem moderne strahlen-therapeutische Methoden, wie die Brachytherapie. Anders als bei der radikalen Entfernung der Prostata bleibt die Vorsteherdrüse erhalten. Durch das ultraschallgesteuerte Einbringen radioaktiver Stifte (Seeds) direkt in die Prostata, wird der Tumor gezielt zerstört und gleichzeitig das umliegende Gewebe geschont. „Inkon-tinenz wird nach Brachytherapie praktisch nicht und Impotenz wesentlich seltener beobachtet“, so Gregor Spira, Strahlentherapeut im Westdeutschen Prostatazentrum. Der Vorteil der „inneren Bestrahlung“ liegt darin, dass Patienten deutlich geringere Nebenwirkungen für die Behandlung in Kauf nehmen müssen, ohne Einbussen in der Heilung zu befürchten.
“Trotz aller Kritik dürfen wir nicht vergessen, dass der PSA-Test auch Leben retten kann“, resümiert Neubauer. Noch immer komme es jedoch vor, dass PSA-Werte falsch interpretiert und vorschnell gehandelt werde, so der Kölner Urologe, etwa, dass auf Grund von kurzzeitig erhöhten PSA-Werten eine Biopsie veranlasst wird, anstatt den Verlauf der Werte zunächst in kurzem Zeitraum zu beobachten. „Der Patient muss außerdem ausführlich über die Vorteile, aber auch über die Risiken und mögliche Folgen der PSA-Testung aufgeklärt werden“, fordert Neubauer.