Bundesweite Patientenbefragung belegt: Größte Patientenzufriedenheit und beste Lebensqualität nach Strahlentherapie.
Dienstag, 31. März, 9.30 Uhr, Urologische Abteilung. Der Termin im Evangelischen Krankenhaus seiner Heimatstadt stand schon fest. Dann hat es sich Lothar S. in letzter Minute anders überlegt. Der 62-jährige Maschinenbauingenieur erhielt Anfang des Jahres nach einer routinemäßigen Untersuchung bei seinem Urologen die Diagnose Prostatakrebs. Glücklicherweise wurde der Tumor frühzeitig erkannt, noch bevor er die Prostatakapsel durchbrochen hat und Absiedelungen in anderen Organen bilden konnte. Sein Urologe riet ihm zur vollständigen Entfernung der Vorsteherdrüse. Lothar S. willigte ein, ohne sich über weitere Therapiemöglichkeiten zu informieren. Erst ein Bekannter, der vor 5 Jahren mit der gleichen Diagnose konfrontiert wurde, drängte ihn dazu, eine zweite Meinung einzuholen.
Lothar S. ist kein Einzelfall: „Häufig steht bereits der OP-Termin fest, ohne dass der Patient umfassend über die verschiedenen Therapieoptionen aufgeklärt wurde“, berichtet Dr. Pedram Derakhshani, Urologe im Westdeutschen Prostatazentrum in Köln. „Nebenwirkungen wie Inkontinenz und Impotenz werden von vielen Betroffenen vorbehaltlos hingenommen.“ Dabei sind die Zahlen trotz Nervenschonender OP-Techniken noch immer sehr hoch: So kann jeder 10. Patient nach der Operation den Urin nicht mehr halten, fast zwei Drittel leiden an Erektionsstörungen Dass die radikale Entfernung der Vorsteherdrüsedennoch bei vielen Ärzten als einzige erfolgreiche Therapieoption bei Prostatakrebs gilt, ist, laut Derakhshani, längst überholt. Zahlreiche Studien (1) belegen, dass bei Patienten, deren Tumor auf die Prostata begrenzt ist, mit Operation, Brachytherapie (innerer Bestrahlung) und äußerer Bestrahlung die gleichen Heilungsraten erreicht werden.
Gezielte Waffe
Vor allem die Strahlenbehandlung konnte in den letzten Jahren dank des rasanten technischen Fortschrittes große Erfolge bei der Therapie des Prostatakarzinoms erzielen. „Wir sind heute in der Lage, eine sehr hohe Strahlendosis in denTumor einzustrahlen ohne das benachbarte gesunde Gewebe zu schädigen“, erklärt Dr. Gregor Spira, Strahlentherapeut im Westdeutschen Prostatazentrum. „Dafür stehen ausgereifte strahlentherapeutische Me-thoden wie die innere Bestrahlung (Brachytherapie) zur Verfügung.“ Anders als bei der „äußeren“ Bestrahlung werden kleinste Strahlungsquellen direkt in die Prostata eingebracht und zerstören den Tumor direkt vor Ort. Eine besonders innovative Technik der Brachythe-rapie ist die sog. Seed-Implantation. Hierbei werden Mini-Implantate in die Prostata einge-bracht und geben über mehrere Monate hochdosierte Strahlung gezielt auf das Tumorgewebe ab. Zur Behandlung von fortgeschrittenen Stadien oder aggressiven Tumoren wird die so genannte Afterloading-Therapie eingesetzt. Unter Ultraschallkontrolle werden spezielle Hohlnadeln in die Prostata eingesetzt. Nach einer exakten, computergestützten Bestrahlungsplanung durch den Strahlentherapeuten fährt dann eine hochaktive Strahlenquelle im Gegensatz zur Seed-Implantation nur temporär in die implantierten Nadeln und be-strahlt den Tumor mit einer hohen Strahlendosis.
Aktuelle Studie: 93 Prozent mit Brachytherapie sehr zufrieden
Die Brachytherapie hat einen wesentlichen Vorteil gegenüber der Operation: „Bei der Entfernung der Prostata hinterlässt der Chirurg immer eine scharfe Schnittkante. Mitunter kön-nen sich aber jenseits dieser gewählten Grenze noch vereinzelt bösartige Zellen befinden. Mit der Strahlentherapie können wir durch eine exakte Verteilung der Strahlendosis zusätz-lich das Gewebe, welches direkt an den Tumor grenzt, bestrahlen, ohne umliegende Strukturen wie Harnröhre oder Schließmuskel zu beschädigen“, erklärt Spira Aktuelle Studien zeigen darüber hinaus, dass die Strahlentherapie auch hinsichtlich der Lebensqualität und Patientenzufriedenheit der Operation überlegen ist. Prof. Wolfgang Wagner, Ärztlicher Di-rektor der Paracelsus-Kliniken Osnabrück analysierte anhand eines sehr umfangreichen Fragebogens die Lebensqualität von insgesamt 634 erkrankten Patienten, die entweder mittels Radikal-OP, äußerer Bestrahlung oder Brachytherapie behandelt wurden (2). Die Ergebnisse der bundesweit größten Patientenbefragung waren eindeutig: 93 Prozent der Patienten, die sich für eine Brachytherapie entschieden, waren mit der Wahl der Behand-lung sehr zufrieden. Dagegen betrug die Zufriedenheit nach Radikal-OP nur 79 Prozent.
Lothar S. entschied sich nach eingehender Beratung durch zwei weitere Urologen und einen Strahlentherapeuten schließlich für eine Seed-Implantation. Da er als selbstständiger Maschinenbauingenieur beruflich nicht über längere Zeit ausfallen kann und darüber hin-aus keine Inkontinenz riskieren wollte, war die Entscheidung für ihn schnell klar. Dr. Spira bringt es auf den Punkt: „Der Vorteil der Brachytherapie liegt darin, dass Patienten deutlich geringere Nebenwirkungen für die Behandlung in Kauf nehmen müssen und schnell wieder fit sind, ohne Einbußen in der Heilung zu befürchten.“ In Deutschland werde, so der Strahlentherapeut, im Gegensatz zu den USA, immer noch zu häufig operiert. „Doch glückli-cherweise geht auch hierzulande der Trend dahin, Prostatakrebs mittels hochmoderner strahlentherapeutischer Verfahren zu behandeln“, resümiert Dr. Spira.